Ein Jahr zwischen Deutschland und Panama – September 2016
Vor genau einem Jahr hat meine ganz persönliche Panama-Mission begonnen. Zur Erinnerung: Im September 2015 hatte ich mich in Deutschland so weit von allen Verpflichtungen befreit, um mir Panama jetzt in aller Ruhe anzusehen. Wie und warum ich darauf gekommen bin, das erfährst Du HIER oder auch HIER.
Habe ich Antworten auf meine wichtigsten Fragen gefunden ? Ist Panama ein sicheres und attraktives Reiseziel ? Ist Panama ein geeignetes Auswanderungsziel ? Komme ich mit dem Klima, den Menschen und der Lebensweise zurecht ? Wie sieht es in Deutschland und in Europa aus ?
Jetzt, nach einem Jahr, kann ich hier mal ein kleines Fazit ziehen:
Die ersten drei Monate von September bis November 2015 habe ich mich im Land als ganz normaler Tourist umgeschaut, viele Leute kennengelernt und ich habe zum ersten mal hier die Regenzeit erlebt.
Mit diesen Eindrücken bin ich dann über Weihnachten / Neujahr wieder zurück in die Heimat geflogen und ich hatte dort genug Zeit und Abstand, alles Erlebte noch einmal zu reflektieren. Mir war klar: Ich möchte wieder zurück nach Panama, mir gefällt es dort.
Gleich bei meiner Rückkehr im Januar 2016 habe ich mir dann ein Auto gekauft und mich um meine Aufenthaltsgenehmigung gekümmert. Ich habe mir ein Apartment gemietet und damit Wurzeln hier in Panama geschlagen. Nach wie vor habe ich keine größeren Gegenstände mitgebracht oder angeschafft, um weiterhin mit möglichst wenig Ballast in Panama zu leben. Bis hierhin, so denke ich, habe ich alles richtig gemacht, und es ist alles nach Plan verlaufen. Bis April 2016 habe ich auch meine Aufenthaltsgenehmigung und meinen Führerschein erhalten und viele weitere Erfahrungen und Bekanntschaften hier in Panama gemacht.
Dann bin ich wieder nach Deutschland geflogen, habe den recht ordentlichen Frühsommer dort verbracht und bin zu Beginn der Fußball-EM wieder zurück nach Panama. Ich weiß jetzt, das bei mir das Fernweh überwiegt und dass ich mich hier in den Tropen sehr wohl fühle. Übrigens feiert Panama auch das “Oktoberfest”, jedenfalls die Brauereien hier, und das entsprechende Bier ist gar nicht mal so schlecht.
Immer nur Sonnenschein ?
Natürlich möchte ich nicht verschweigen, dass hier in Panama auch nicht immer nur die Sonne scheint. Sowohl wettertechnisch als auch im täglichen Leben. Und natürlich bin ich nicht blauäugig am Auswandern, nur weil mir gerade so danach ist. Ich überlege schon genau: „Mensch, machste auch alles richtig?“, „Was ist wenn du mal ernsthaft krank wirst ?“ „Wo stehst du, wenn sich weltweit und speziell auch in Deutschland Krise auf Krise entwickelt und nicht gelöst wird und vielleicht auch gar nicht gelöst werden soll ?“
Gerade die letzte Frage beschäftigt mich natürlich. Dabei stelle ich mir immer vor, ich könnte mit einer Zeitmaschine ins Jahr … sagen wir 1938 reisen. Da würde ich dann mal mit den Leuten sprechen, mit ganz normalen Menschen. Mit Fabrikarbeitern, mit Studenten, mit Bauern, Lehrern oder Hausfrauen.
Mit meinem heutigen Wissen würde ich dann vielleicht jedem erzählen: „ Du, nächstes Jahr gibt’s Krieg. Und in spätestens vier Jahren wirst du ihn auch am eigenen Leib zu spüren bekommen. Hier in Deutschland. Und noch ein Jahr später liegt in deiner Stadt kein Stein mehr auf dem anderen. Die Hälfte deiner Freunde und Familie wird tot sein. Du wirst dich in sechs Jahren jeden Tag stundenlang in deinen Luftschutzkeller setzen müssen, falls dein Haus noch steht. Ach ja, weißt du, in zehn Jahren ist dein Land nur noch dreiviertel so groß wie jetzt, dafür wird es Deutschland dann aber gleich zweimal geben; und es wird von Russen, Engländern, Amerikanern und Franzosen regiert. Übrigens, dein Führer ist dann schon lange tot !“
Bumm! Was denkst Du würden mir die Menschen im Jahre 1938 darauf wohl antworten ?
Ist es vielleicht denkbar, dass wir gerade jetzt wieder vor so einer Situation stehen, ohne dass die Mehrzahl der Menschen es mitbekommt ? Beteiligt sich Deutschland nicht gerade am Krieg in Syrien ? Sind wir von diesem Land bedroht oder gar überfallen worden ? Haben sich syrische Soldaten mit ihren Panzern, Flugzeugen und Marineschiffen irgendwo in Deutschland blicken lassen ? Sind wir also heute eine kriegsführende Nation ? Lassen wir uns von unseren Medien nicht permanent einreden, dass der böse Russe und der böse Iran uns ständig bedrohen und dass der syrische Präsident Assad seine eigene Bevölkerung abschlachtet ?
Sind Russland und der Iran nicht zufällig große Erdöl- und Erdgasproduzenten ? Ist das Öl- und Gasgeschäft nicht ein milliarden- und abermilliarden schweres Geschäft, das sich auch andere westliche Großkonzerne gern komplett unter den Nagel reißen würden ? Werden wir in Deutschland nicht vom russischen Unternehmen Gazprom versorgt ? Und kann es sein, dass es gerade ein Land wie Syrien ist, dass aufgrund seiner geografischen Lage auch das perfekte Transitland für russische und iranische Öl- und Gas-Pipelines ist ? Damit haben Russland, der Iran und Syrien untereinander eigentlich kein Problem. Wir Deutschen eigentlich auch nicht, denn wir werden von Gazprom ja korrekt versorgt bis jetzt. Sogar die Fußball-Champions League wird von Gazprom gesponsert. Aber dreimal dürft Ihr raten, wer wohl ein sehr großes Problem damit hat…
Richtig, unsere atlantischen Besatz…, Verzeihung, Befreier vom Zweiten Weltkrieg und die Vorzeige-Demokratien Saudi Arabien und Katar mit ihren eigenen Vorstellungen von Menschenrechten, Respekt und friedlichem Handel. Aber sie wollen gar nicht mit Russland oder Syrien verhandeln, sondern sie wollen alles kontrollieren.
Wir Deutschen machen dabei fleißig mit, wir spendieren den Saudis ein paar milliardenschwere Kriegsspielzeuge zum Freundschaftspreis, und bumsfallera bekommen wir schon jetzt die Rechnung serviert: Millionen Flüchtlinge. Solche, die wir schützen müssen, und auch solche, vor denen wir uns schützen müssen.
Wir stellen jahrelang gewachsene Handelsbeziehungen mit Russland ein, wir Deutschen dürfen auf Druck von außen auch keine fruchtbaren Handelsbeziehungen mit dem Iran aufbauen, einem Absatzmarkt mit fast genauso vielen Bewohnern wie Deutschland, und und und.
Presselandschaft in Deutschland
Was mich aber am meisten ärgert: unsere freie und unabhängige Presse bezeichnet und rechtfertigt dies einstimmig und ohne Widerspruch als „Sanktionen“, völlig egal, dass dabei hunderttausende Arbeitsplätze in Deutschland vernichtet werden oder gar nicht erst entstehen können. Panzer nach Saudi Arabien und U-Boote nach Israel, ja, das geht klar, das reicht für die Konjunktur erst mal.
Lese ich online deutsche Tages- oder Wochenzeitungen, also die allseits bekannten, oder schaue ich fern (was ich seit etwa anderthalb Jahren nur noch selten tue), dann erfahre ich überall, auf allen Kanälen, immer nur das selbe. Putin ist der Böse, Assad sowieso. Und Donald Trump, wenn der erst US Präsident wird…
Kanzlerdarstellerin Merkel ist angeblich so beliebt wie nie zuvor, das mag sein, wenn man vielleicht eine CDU-interne Umfrage versehentlich zur öffentlichen Meinung umdeklariert. Keine Ahnung wie das sein kann. Schlafen wir alle ?
Ich kann mich an DDR-Zeiten erinnern, wo ich vielleicht fünf oder sechs verschiedene Tageszeitungen in meiner Stadt am Kiosk kaufen konnte. Die konnte ich mir bequem unter den Arm klemmen und stundenlang zu Hause lesen.
Das hätte ich mir natürlich auch sparen können, denn ich werde wohl kaum Widerspruch ernten wenn ich sage, dass alle DDR- Zeitungen inhaltsgleich waren, was politische oder gesellschaftliche Themen betraf.
Heute dagegen könnte ich hunderte verschiedene Tageszeitungen und Wochenmagazine am Kiosk kaufen, so viel könnte ich gar nicht tragen. Aber: was ist denn das ? Wieder überall das selbe drin. Putin ist der Böse. Assad sowieso. Und um Gottes Willen wenn Trump US-Präsident wird. Ich lese, dass Militäreinsatze in Nahen Osten der Friedenssicherung und der humanitären Hilfe dienen. Zuwanderung, so lese ich, ist gut für unsere Konzer…, pardon, unsere Wirtschaft.
Ich lese Meldungen mit Herkunftsangaben: Böse Deutsche vergreifen sich an wehrlosen syrischen Flüchtlingen. Ich lese Meldungen ohne Herkunftsangaben: Großfamilie geht auf Polizisten los… räusper…
Früher war alles schwarz-weiß
Diese gleichlautenden, tendenziell und ideologisch gefärbten Nachrichten wundern mich selbst bei hunderten verschiedenen Zeitungen nicht mehr, wenn diese von gerade mal einer handvoll, also vielleicht fünf oder sechs verschiedenen Verlagshäusern publiziert werden. Ganz zu schweigen von gerade einmal zwei oder drei bedeutenden Nachrichtenagenturen, welche alle zusammen nicht nur die Informations-, sondern darüber hinaus auch gleich die Deutungshoheit übernehmen. Also, was ist an diesem Mediensystem nun wesentlich anders als zu DDR-Zeiten ?
Richtig ! Früher war alles noch in schwarz-weiß.
Und jetzt ?
Jetzt lebe ich in Panama und fühle mich hier wohl. All diese Entwicklungen und Zustände haben allerdings keinen Einfluss auf meine Auswanderungs-Entscheidung gehabt. Meine Planungen und meine Ideen standen schon lange fest, noch weit bevor Merkel im Sommer 2015 ihr legendäres „Wir schaffen das“ in die Geschichtsbücher der Zukunft diktierte.
Natürlich habe ich ein paar ganz normale Bedenken und ein paar gesunde Zweifel an meiner Entscheidung. Jedoch sind die derzeitigen und wohl auch künftigen Verhältnisse in Deutschland bestens geeignet, auch diese noch komplett zu vertreiben…
KLACK ! Was ist jetzt los ? Ich sitze draußen und schreibe gerade genau diese Zeilen, und auf einmal liegt ein kleiner Kolibri am Boden vor meinen Füßen. Er ist aus Versehen gegen die Glastür geflogen, in der sich die Bäume spiegeln. Ganz vorsichtig hebe ich ihn auf und lege ihn in meine Hand. Er lebt noch, er atmet, er ist nur ein bisschen benommen, er braucht Wärme. Ich schätze dass er gerade ziemlich verwirrt ist und Angst hat.
Nach ein paar Minuten fängt er an sich zu bewegen. Ich setze mich auf den Boden ins Gras. Falls er mir gleich unkontrolliert aus der Hand springt, dann fällt er nicht tief, sondern weich. Er kommt zu sich, flattert ein paar Meter, bleibt kurz im Gras sitzen und ist dann nach vielleicht fünfzehn Minuten wieder fit und macht sich davon.
Die Welt ist so schön !