Neue Normalität in Panama.

Es tut sich was. Endlich. Nach zwei Monaten des nationalen Notstandes mit Ausgangssperren, Kontaktbeschränkungen und der nahezu komplett lahmgelegten Wirtschaft und Gesellschaft gibt es jetzt einen Fahrplan zur schrittweisen Rückkehr in die „Neue Normalität“.

Wie die Regierung Panamas unter Präsident Nito Cortizo am 11.Mai 2020 bekanntgab, beginnt die Rückkehr der Wirtschaft zur Normalität ab dem 13. Mai in sechs Schritten, gestaffelt nach Branchen und unter strengsten Hygiene- und Sicherheitsbestimmungen. Ich habe mal versucht, die einzelnen Schritte ins deutsche zu übersetzen. (Titelfoto: Nito Cortizo. Bildquelle: www.tvn-2.com)

Los geht’s ab Mittwoch, den 13. Mai 2020 mit folgenden Branchen:

Elektronik-Einzelhändler, Autowerkstätten und Ersatzteil-Händler, Installateure, Elektriker, Servicedienstleister für Klimaanlagen, Aufzüge und Schwimmbäder, sowie Fischerei und Fischzucht.

Schritt 2, und wie die folgenden Schritte derzeit noch ohne konkretes Datum:

Öffentlicher Bausektor, Bergbau, Sport-, Kultur- und Sozialeinrichtungen.

Schritt 3: stationäre Einzelhändler, Autohändler, Dienstleister, Privater Bausektor.

Schritt 4: Hotels, Restaurants, Luftfahrt.

Schritt 5: Bildung, Transportwesen, Sport, Bars, Entertainment.

Schritt 6: Volksfeste, Konzerte, Karneval, Diskotheken, und sämtliche Industriezweige ohne weitere Einschränkungen.

Derzeit dürfen auch Ferreterias und Baumärkte wieder ihre Geschäftstätigkeit aufnehmen, jedoch müssen sie Bestellungen telefonisch oder online entgegennehmen, dies auch nur zu bestimmten Uhrzeiten, und sie dürfen auch nur zu bestimmten Tagen ausliefern. Der Verkauf von Bau- und Konstruktionsmaterialien bleibt jedoch so lange von dieser Regelung ausgenommen, bis der (öffentliche und private) Bausektor gemäß Schritt 2 und 3 wieder aktiv werden darf.

Soweit der Plan. Derzeit gibt es allerdings noch keinen Hinweis auf die Flexibilisierung der Ausgangssperren. Im Gegenteil. Präsident Cortizo hat gleichzeitig mit der Wiederbelebung der Wirtschaft verkündet, die bestehenden Ausgangssperren auf unbestimmte Zeit aufrecht zu erhalten. Es wäre jedoch schön, wenn an der Wiederbelebung der Wirtschaft auch die Unternehmer selbst, ihre Mitarbeiter und ihre Kunden teilnehmen könnten.

Im Nachgang dieser Planungen haben Regierung und Behörden nochmals ausdrücklich darauf hingewiesen, dass alle Unternehmen und Beschäftigten sich strengstens an die Hygiene-Auflagen halten müssen. Funktioniert das gut, und entwickeln sich die “Fallzahlen” positiv, so möchte man soweit es möglich ist, alle 10-14 Tage zum jeweils nächsten Schritt übergehen.

Strenge Hygiene-Auflagen

Die Rückkehr zur Normalität in Panama ist verbunden mit umfangreichen, sehr detailliert ausgearbeiteten und vorgeschriebenen Hygiene-Maßnahmen, die alle Unternehmer und Behörden in Zusammenarbeit mit ihren Angestellten umsetzen und strengstens einhalten müssen. Diese Maßnahmen bestehen im Wesentlichen aus permanenter, regelmäßiger Desinfektion aller Einrichtungen und Räumlichkeiten, Bereitstellung von Wasch-und Desinfektionsmitteln für Mitarbeiter und Kunden, Tragen von Mundschutz sowie Abstand von zwei Metern zwischen Personen. Jeder Betrieb ist verpflichtet, ein „Hygiene-Komittee“ von zwei bis sechs Mitarbeitern einzurichten, die diese Hygienemaßnahmen umsetzen und überwachen.

Panamas Gesundheitsministerin Rosario Turner führt strenge Schutz- und Hygienevorschriften ein. Bildquelle: www.prensa.com


Auffällig ist, dass diese detaillierten Hygiene-Vorschriften zum Schutz der Gesundheit ausschließlich auf medizinischer, chemischer und pharmazeutischer Grundlage basieren. Wünschenswert und wichtig wären auch Hinweise zur individuellen Stärkung des Immunsystems und der körperlichen Abwehrkräfte gewesen, wie zum Beispiel gesunde vitaminreiche Ernährung, Bewegung im Freien (sofern die Arbeit vorwiegend in geschlossenen Räumen stattfindet) sowie die Empfehlung meditativer Entspannungsübungen zwecks Stress-Abbau und Angstbewältigung. Leider Fehlanzeige.

Den Presseartikel zur Rückkehr in die neue Normalität habe ich HIER verlinkt.
Den Presseartikel zu den Hygiene- und Schutzvorschriften des Gesundheitsministeriums mit dem Link zum 25-Seitigen pdf-Dokument habe ich HIER verlinkt.

Anmerkung und Einschätzung

Die Rückkehr zur Normalität in verschiedenen Etappen halte ich für richtig und sinnvoll, denn wenn alles auf einmal wieder losgehen würde, gäbe es ein strukturelles und organisatorisches Chaos. Über die tatsächliche Gefahr einer Ansteckung oder Erkrankung halte ich mich heute mal bedeckt.

Wir alle hier in Panama freuen uns sicher, dass es wieder langsam losgeht, dennoch ist mir eine Sache recht unangenehm aufgefallen: Schritt 6, der die Wiederbelebung öffentlicher Veranstaltungen wie Volksfeste, Konzerte, Karneval und auch der Industrie vorsieht.
Dieser Schritt ist ausdrücklich an die Verfügbarkeit einer nicht näher definierten Impfung oder / und einer effektiven Behandlungsmethode gekoppelt. Beim Thema Impfen oder wirksamer Medikation streiten sich die Geister derzeit heftig. Nicht unbedingt in Panama, jedoch in Deutschland auf jeden Fall. Dazu möchte ich heute mal keine Stellung beziehen, aber soviel ist sicher: Das wird dann noch eine Weile dauern, bis öffentliche Veranstaltungen und die Industrie (nicht näher definiert welche Industrie) wieder zur Normalität zurückkehren können.

Hygiene und Immunität

Sind wir mal ehrlich: In den vergangenen Wochen und Monaten sind wir alle irgendwie zu Medizinern, Virologen, Epidemiologen, Statistikern, Ökonomen und zu sonstigen Experten geworden. Aufgeweckte Menschen haben sicher bemerkt, dass es in der aktuellen Situation weltweit heftigste Kontroversen hinsichtlich der realen Gefahr und der daraus resultierenden Maßnahmen gibt. Vor allem in Deutschland. In Panama dagegen herrscht nach meiner Beobachtung weitgehend gesellschaftlicher Konsens ohne nennenswerte oder spürbare Opposition aus Wirtschaft, Gesellschaft oder Bevölkerung.

Ich bin kein Wissenschaftler, soviel mal vorweg. Jedoch stelle ich mir die Frage, was eigentlich mit dem menschlichen Immunsystem passiert, wenn es nahezu komplett von der Außenwelt abgeschirmt wird, und künftig in einem permanent sterilen und desinfizierten Umfeld lebt, wo die Menschen untereinander keinen Körperkontakt haben und auch die Atemwege mittels Maske abgeschirmt werden.

Soweit ich weiß sind wir ständig von irgendwelchen Mikroorganismen umgeben, von Viren, Keimen oder Bakterien, die auch unseren Körper bevölkern. Unser Immunsystem erkennt diese und kann bei Gefahr eine Abwehr-Reaktion auslösen, um Krankheitserreger zu isolieren und unschädlich zu machen. Dazu ist natürlich ein funktionierendes Immunsystem erforderlich, welches wir immer wieder unterstützen, trainieren und stärken müssen, oder ?

Was macht aber eigentlich unser Immunsystem, wenn wir unseren Körper komplett von unseren Mitmenschen isolieren und uns nur noch in steriler, keimfreier Umgebung aufhalten ? Schaltet es zurück? Schaltet es irgendwann ab ? Geht es in Standby, weil wir ihm die Beschäftigungsgrundlage entziehen und damit faktisch auch die „Betriebserlaubnis“ ? Kann unser Immunsystem irgendwann überhaupt noch zwischen gefährlichen, harmlosen, nützlichen oder gar lebenswichtigen Mikroorganismen unterscheiden ? Wenn´s so ist, was geschieht, wenn irgendwo, irgendwann doch mal wieder ein Erreger an der nächsten Ecke lauert ? Werden wir und mit uns Tausende oder gar Millionen von Menschen gleichzeitig krank ? Kann unser Immunsystem dann so schnell aus dem „Standby“ wieder auf Tour kommen und uns schützen, oder sind wir dann jedes mal auf Hilfe von außen, also Medikamente, Schutz- und Quarantäne-Maßnahmen angewiesen ?

Ich habe keine Antworten darauf, allenfalls einige Vorstellungen. Wenn es unter euch jedoch Experten gibt, ich meine wirkliche diplomierte Mediziner, dann freue ich mich auf einen Austausch über dieses Thema.

Alkoholverbot

Als einziges Land der Welt hat Panama im März 2020 ein pandemiebedingtes, unbefristetes nationales Alkoholverbot erlassen. Obwohl die Trinkgewohnheiten der Menschen hierzulande sich kaum von den Gewohnheiten der Menschen anderer Länder unterscheiden, wurden als Hauptgründe die Vermeidung häuslicher Gewalt während der Quarantäne sowie die Vermeidung von Menschenansammlungen genannt, wobei letzteres ohnehin schon durch Versammlungsverbote und Ausgangssperren geregelt war.

Am 6. Mai gab die Regierung nun bekannt, dass das Alkoholverbot (Ley Seca / Trockengesetz) mit Wirkung zum 8. Mai komplett aufgehoben wird. Die Freude bei den Menschen war groß, dauerte aber nur einige Stunden an. Die einzelnen Regierungsbezirke (Municipios) sahen die Zeit für eine Aufhebung noch nicht gekommen und verhängten zunächst auf Bezirksebene eigene Alkoholverbote. Das alles sorgte jetzt einige Tage lang für Diskussionen und auch für Unsicherheit bei den Verkäufern. Die Regierung nahm sich der Angelegenheit nochmals an, und lockerte das Alkoholverbot unter Auflagen, nach der jeder Kunde pro Einkauf, pro Tag entweder ein Sixpack Bier oder eine Flasche Schnaps bzw. Wein erwerben darf, unter strengster Beobachtung der Verkaufsstellen durch die Behörden, und nur für den privaten Konsum zu Hause, ohne Party oder Feiern. Regierung und Behörden haben unmissverständlich klargestellt, dass bei geringsten Verstößen Geldstrafen drohen und sogar das Ley seca wieder vollständig in Kraft tritt.

Blöderweise reicht einigen Municipios auch diese Regelung noch nicht, so dass es immer noch viele Regierungsbezirke gibt, die den Alkoholverkauf komplett verbieten. Ich habe Glück im Unglück, denn zwei der drei Municipios, die ich auf meiner Einkaufstour passiere, verkaufen Alkohol nach den vorgeschriebenen Regeln. Netterweise ist die Größe dieser einen Flasche Schnaps, die ich kaufen darf, nicht näher definiert. So findet dann eine großzügig dimensionierte 1,75-l-Flasche des guten alten “Abuelo”-Rum den Weg vom Regal übers Kassenband in meine Einkaufstasche. Die reicht locker ne ganze Weile, so dass ich mich jetzt nicht bei jedem Einkauf um Nachschub kümmern muss. Prost !